Saumbiotope

Aus Biodivers
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Das Potential für arten- und blütenreiche Säume ist bei richtiger Pflege sehr gross.
Text Verein biodivers
Review Regula Benz
Larissa von Buol
Publikation November 2022




Das Wesentliche kompakt

Lebensraum Saumbiotope kompakt – ausgewähltes Wissen in Kurzform
Was gehört zu den Säumen und Hochstaudenfluren?
  • Säume sind lineare Elemente mit krautiger Vegetation entlang von Wegen, Gehölzen, Wäldern, Gewässern, an Böschungen oder entlang oder in Äckern. Zu den Saumbiotopen zählen auch Gehölze wie Hecken oder Gebüschstrukturen an Gewässern sowie die Hochstaudenfluren mit hochwüchsigem, krautigen Pflanzenbeständen auf nährstoffreichen, feuchten Böden. Säume sind Ökotone (Übergangslebensräume).
  • Säume waren weit verbreitete Elemente der traditionellen Kulturlandschaft. Sie sind in den vergangenen gut 50 Jahren aber sehr stark zurückgegangen.
Was macht Säume für die Biodiversität wertvoll?
  • Sie bieten über die ganze Vegetationsperiode ein Blütenangebot und ganzjährig Strukturreichtum.
  • Sie fördern Nützlinge und leisten dadurch einen Beitrag zur biologischen Schädlingsregulierung.
  • Es sind wichtige Nahrungs-, Fortpflanzungs-, Rückzugs- und Überwinterungshabitate für verschiedene Artengruppen und Arten, insbesondere für Säugetiere, Vögel, Reptilien und Schmetterlinge sowie ein wichtiger Lebensraum für Moose.
  • Es sind Korridore für die Ausbreitung der Tiere und ein Reservoir an Pflanzensamen.
  • Sie nehmen eine wichtige Funktion wahr als Trittsteinelemente im Biotopverbund.
  • Sie mindern die Bodenerosion durch abfliessendes Wasser.
Erhaltung, Förderung und Aufwertung von Säumen
  • Die bestehenden Säume erfassen (inventarisieren), erhalten und aufwerten.
  • Das Potential an Säumen ist sehr gross! Sie können vor allem durch Änderungen der Nutzung und die Vergrösserung der Strukturvielfalt aufgewertet werden.
  • Verschiedene Saumbiotope können als Biodiversitätsförderfläche (BFF) angemeldet werden.
Pflege von Saumbiotopen, Handlungsbedarf
  • Säume so wenig wie nötig unterhalten; Mahd staffeln und abschnittweise pflegen; Rückzugsstreifen stehen lassen; Schnittgut abführen; Fauna schonende Geräte einsetzen.
  • Bei der richtigen Pflege und der Nutzung des Potentials arten- und strukturreicher Säume liegt der grösste Handlungsbedarf.
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Strukturreicher Wegsaum

Einleitung

Saumbiotope sind lineare Strukturelemente. Sie liegen an der Grenze zwischen zwei Lebensraumtypen (Ökotone) oder, in der Kulturlandschaft, als Streifen geförderte Strukturelemente in Acker- oder Grünlandflächen. Es handelt sich meist um Lebensräume, die dank der Nutzung durch den Menschen geschaffen und erhalten werden. Natürliche Säume entwickeln sich an Waldgrenzstandorten, d. h. zum Beispiel an Felsen und entlang steiniger Strukturen mit lückigem Baumbestand, an Moorrändern und Geröllhalden, an der Waldgrenze auf trockenen Flussschotterterrassen oder in den Felsensteppen. Anthropogen entstandene Säume gibt es entlang von Äckern, Hecken, Gewässern und Wegen, aber auch entlang von Strassen- und Eisenbahnanlagen. Auch begrünte Feldwege oder Altgrasstreifen kann man zu den Säumen zählen.
Ausser an Extremstandorten, wo keine Gehölze mehr wachsen (zu nass, zu trocken, zu kalt, etc.), bestehen die Säume nur dank der Nutzung durch Mahd oder Beweidung.

In diesem Artikel wird auf die krautigen Saumbiotope eingegangen. Säume, die eindeutig dem Grünland zugeordnet werden können, sind dort abgehandelt (Altgrasstreifen). Auf die Saumbiotope des Ackers wird im entsprechenden Artikel eingegangen. Auf die Gehölzsäume wird bei den Hecken und den Fliessgewässern eingegangen. Auf die Hochstaudenfluren wird im Kapitel Praxisrelevante Ökologie kurz eingegangen. Die Hochstaudenriede werden bei den Feuchtgebieten besprochen, die Schlagfluren beim Wald. Gleiches gilt für die «Waldinnensäume».

Wenn in diesem Artikel die Begriffe «Saum» und «Krautsaum» verwendet werden, dann sind sie gleichbedeutend mit der obigen «Definition» der Saumbiotope.

Saumbiotope waren früher über die ganze Kulturlandschaft verteilt und entsprechend der damals kleinräumigen und vorwiegend manuellen Bewirtschaftung der Kulturen häufig. Insbesondere zwischen 1965 und 1990 stiegen die Parzellengrössen infolge der Meliorationen und der Intensivierung der Landwirtschaft stark an. Dies führte unter anderem zu einem grossen Verlust an verschiedenen ökologisch wertvollen Strukturen, und einem starken Rückgang an Grenzstrukturen. Guntern et al. (2020, S. 37) haben die Verluste an Strukturelementen an ausgewählten Beispielen in verschiedenen Gebieten der Schweiz zusammengestellt. Die Autoren erwähnen, dass die Erhaltung von Strukturen nach wie vor vernachlässigt wird.

In Guntern et al. (2020, S. 37) hat es eine Zusammenstellung zu Verlusten an Strukturelementen an ausgewählten Beispielen in verschiedenen Gebieten der Schweiz. Es wird erwähnt, dass die Erhaltung von Strukturen nach wie vor eine untergeordnete Rolle spiele.

Aus Ordnungsliebe, Effizienz oder Unwissenheit werden Säume, die für die Produktion unbedeutend sind, oft nicht biodiversitätsfreundlich bewirtschaftet, wie z.B. gemulcht oder zu einem ungünstigen Zeitpunkt gemäht.

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Wärmeliebender Krautsaum mit Blutrotem Storchschnabel (Geranium sanguineum)

Praxisrelevante Ökologie

Allgemeines

Säume sind Übergangsbereiche (Ökotone). Ein typisches Beispiel dafür ist ein Waldrand mit der Abfolge Wald – Strauchgürtel - Saum – Wiese mit entsprechender Zonierung der Pflanzengesellschaften. Die Pflanzen der Krautsäume sind von den sie umgebenden Lebensräumen geprägt. So findet man Arten der Wälder, Wiesen und Äcker. Sie sind reich an Krautpflanzen, mit im Vergleich zum Grünland grossflächigeren Blättern. Sie weisen aber auch ihre, sie charakterisierenden Arten, auf. Sie ertragen keine so häufigen Eingriffe wie Mähen oder Beweidung. Säume sind einer stetigen Entwicklung ausgesetzt, die sich unterschiedlich schnell abspielt. An der Waldgrenze verändern sich Säume aufgrund der tiefen Temperaturen und der kurzen Vegetationszeit nur langsam, während ein Krautsaum entlang einer Hecke innert weniger Jahre verbuschen würde. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei den Säumen grundsätzlich um ziemlich dauerhafte und stabile Lebensräume.

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Ökoton am Waldrand in der Abfolge Baumschicht (Milieu forestier), Strauchschicht (Structure arbustives), Krautsaum (Ourlet herbacé) und Wiese (Prairie) (Quelle: Direction générale de la nature et du paysage & ECOTEC Environnement S.A. Ourlets, 2012: Ourlets)

Säume, Hecken, Böschungen und weitere Elemente gliedern die Landschaft und werten sie optisch sowie als Lebensraum auf. Gut gepflegte und artenreiche Säume bieten über die ganze Vegetationsperiode ein Blütenangebot und ganzjährig Strukturreichtum. Dadurch sind sie wichtige Nahrungs-, Fortpflanzungs-, Rückzugs- und Überwinterungshabitate sowie Korridore für die Ausbreitung für viele Tiergruppen wie Vögel, Schmetterlinge, Schwebfliegen, Heuschrecken, darunter viele Nützlinge. Sie bieten auch während der «Trachtlücken» im Sommer Pollen und Nektar. Durch die extensive Nutzung und die gestaffelte Pflege kann sich die Natur über viele Jahre entfalten und Tiere können ungestört alle Entwicklungsstadien durchlaufen.

Brennnesseln und Brombeeren:
Brennnesselfluren und Brombeergestrüpp tragen – neben vielen weiteren Elementen - zur Strukturvielfalt bei. Die Brennnessel (Urtica dioica) ist eine wichtige Futterpflanze für zahlreiche Insekten. Rund 50 Schmetterlingsarten ernähren sich von ihr. Für einzelne, wie den Kleinen Fuchs (Aglais urticae) oder das Landkärtchen (Araschnia levana), ist sie sogar überlebenswichtig. Brombeeren (Rubus ssp.) sind gute Nektarpflanzen, bieten Schutz und die Stängel werden von Wildbienen zum Nisten benutzt. Durch regelmässiges zurückschneiden der Ränder kann das Vorkommen der oft zu Unrecht unerwünschten Brennnesseln (Urtica dioica) und Brombeeren (Rubus ssp.) auf der gewünschten Grösse gehalten werden.


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Brennnessel und oder Brombeere bieten Nahrung und Schutz für zahlreiche Arten, z. B. für den Kleinen Fuchs (Aglais urticae) und das Landkärtchen (Araschnia levana).

Säume, insbesondere südexponierte, magere Standorte sind botanisch sehr artenreich. Die faunistische Artenvielfalt ist, bei Strukturvielfalt und richtiger Pflege, ebenfalls sehr gross. Die Säume sind zwar meist schmal, dafür können sie sehr lang sein und sich entlang von Fliessgewässern oder Wegen über Hunderte Meter oder gar Kilometer erstrecken. Durch diese lineare Anordnung haben sie eine wichtige ökologische Funktion als vernetzende Elemente und als Verbindung-/Ausbreitungskorridore, für terrestrische und entlang von Gewässerrandstreifen auch für aquatische Lebewesen. Saumbiotope sind umso artenreicher, je magerer sie sind, je grösser das Mosaik an Habitaten ist und je strukturreicher sie sind. Strukturreichtum wird gefördert durch eine differenzierte Pflege und die Ausstattung mit Kleinstrukturen.

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Die Zauneidechse (Lacerta agilis) kommt fast nur noch auf Randflächen, v. a. an Böschungen vor.

Pflanzen und Tiere

Säume sind für verschiedene Artengruppen wichtig. Sie sind für Kleinkarnivoren und andere Säugetiere unabdingbar, ebenso für Vögel, Reptilien, Schmetterlinge und Moose. Viele weitere Artengruppen profitieren von Säumen (Fledermäuse, Insektenfresser, Amphibien, Käfer, Wildbienen, Heuschrecken, Libellen, Spinnen, Tausendfüsser, Schnabelkerfen, Haut- und Zweiflügler, Schnecken, Gefässpflanzen; siehe Bericht «Biodiversitätsfördernde Strukturen im Landwirtschaftsgebiet», S. 75).

Zahlreiche Spinnen und Käfer überwintern in den Hohlräumen der vertrockneten Halme und Stängel. Gegen 700 wirbellose Tierarten sind auf höher gelegene Pflanzenteile angewiesen. Säume sind wichtige Nahrungsbiotope für charakteristische Schmetterlingsarten wie Admiral (Raupenfutterpflanze Brennnessel), Schwalbenschwanz (Wilde Möhre) oder Violetter Silberfalter (Spierstaude). Trockene Borde werden z. B. von Feldgrille, Märzenschnecke, Zaun- und Mauereidechse, Blindschleiche und Schlingnatter besiedelt, feuchtere Säume von Ringelnattern. Die karch betont die grosse Bedeutung von Saumbiotopen für Reptilien in den dicht besiedelten und intensiv genutzten Regionen der Schweiz.

Das Merkblatt «Nützlinge in den landwirtschaftlichen Kulturen fördern» liefert Informationen zur Bedeutung von Säumen für Spinnen, Laufkäfer und Schwebfliegen.

Die Vielfalt an Pflanzen kann beachtlich sein: Dengler et al. erfassten ca. ein Drittel der Gefässpflanzenarten im Rahmen einer floristischen Kartierung in Nordostdeutschland (Sachsen) in linearen Saumgesellschaften, obwohl diese nur 0.0009% der Fläche ausmachten.

Die Liste der national prioritären Arten führt für die Lebensräume «Krautsäume», «Hochstauden- und Schlagfluren» und «Gebüsche» 489 Arten auf. Auf der Liste der Umweltziele Landwirtschaft (UZL) sind 634 Arten aufgeführt (Lebensräume «Säume auf Ackerfläche» und «Waldrand, Saumvegetation», sowie Lebensraum-Gruppen «Hecken, Gehölze, Waldsäume, Waldränder» und «Bunt-, Rotationsbrachen, Ackerschonstreifen, Ackersäume»). Im Bericht «Biodiversitätsfördernde Strukturen im Landwirtschaftsgebiet» sind Angaben zu pro Organismengruppe auf Säume angewiesener Arten aufgeführt.

Saumbiotope in der Landwirtschaft, Biodiversitätsförderflächen (BFF)

Verschiedene in der Agrarpolitik geförderte BFF können, bei richtiger Pflege, eine Rolle als Saumbiotop spielen: Hecken (inkl. Krautsaum), verschiedene BFF auf Ackerfläche, Uferwiesen entlang von Fliessgewässern (gemäss DZV, Art. 55). Zudem fordert die Agrarpolitik im Rahmen des ÖLN (Ökologischer Leistungsnachweis; gemäss DZV, Art. 21) die Anlage von Pufferstreifen entlang von Gewässern, Waldrändern, Wegen, Hecken, Feld- und Ufergehölzen und Inventarflächen. Im Rahmen von Vernetzungsprojekten (gemäss DZV, Art. 61 et 62) werden ausserdem sehr oft Rückzugstreifen auf extensiv genutzten Wiesen als Massnahme umgesetzt. Diese Altgrasstreifen (siehe Artikel Grünland) spielen ebenfalls eine wichtige Rolle als Saumbiotope (Bemerkung: Auf die bestockten BFF (Hecken, Feld- und Ufergehölze) wird im Heckenartikel eingegangen).
Die angesäten Saumbiotope auf Ackerfläche sollen in der ausgeräumten Landschaft die Funktion der früher häufigen Säume übernehmen.
Oft nicht als BFF angemeldet werden Böschungen und Feldränder, obwohl gerade diese sehr zahlreich sind und daher eine wichtige Vernetzungsfunktion haben (könnten) (vgl. Kap. oben zu Potentialen; siehe Merkblatt «Nützlinge in den landwirtschaftlichen Kulturen fördern». Sie werden oft mit minimalem Aufwand gepflegt, d. h. gemulcht, ohne Berücksichtigung der Ökologie.

Eine Übersicht zu den BFF bietet die Broschüre «Biodiversitätsförderung auf dem Landwirtschaftsbetrieb – Wegleitung» (Agridea 2022).

Saumbiotope aus pflanzensoziologischer Sicht

Delarze et al. unterscheiden Hochstaudenfluren und Säume. Diese pflanzensoziologische Betrachtungsweise ist deutlich enger als die in diesem Artikel abgehandelten Saumbiotope (und eher theoretisch). Wir verzichten daher auf eine ausführliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik.

Hochstaudenfluren

Hochstaudenfluren bestehen aus hoch- und schnellwüchsigen Krautpflanzen mit üppiger Ausbildung. Sie wachsen auf nährstoffreichen, gut bewässerten Böden in frischfeuchtem Mikroklima mit günstige Wachstumsbedingungen. Hochstaudenfluren besiedeln waldfähige Standorte, aber auch regelmässig gestörte Orte wie Lawinenrunsen. Unter dem dichten Blätterdach herrschen ungünstige Bedingungen für die Keimung von Gehölzpflanzen, wodurch sie die Waldbildung verzögern oder Hochstauden sich im Unterwuchs feuchter Wälder halten können. Hochstaudenfluren sind gemäss Roter Liste der Lebensräume nicht gefährdet. Deshalb und weil sie keine Pflege benötigen wird auf sie nicht weiter eingegangen. Den Schlagfluren ist im Artikel Wald ein Kapitel gewidmet.

Pflanzengesellschaften der Hochstauden- und Schlagfluren gemäss Delarze et al. 2015. Gefährdungsgrad: LC = nicht gefährdet; Regenerationsdauer: 1 = < 5 Jahre, 2 = 5-10 Jahre, 3 = 10-25 Jahre, Jahre (Quelle: Delarze et al. 2016). Informationen auf TypoCH. Text

Nr. Bezeichnung Gefährdung Regenerationsdauer
5.2.1 Atropion, Kalkreiche Schlagflur LC 1
5.2.2 Epilobion angustifolii, Kalkarme Schlagflur LC 1
5.2.3 Calamagrostion, Hochgrasflur des Gebirges LC 3
5.2.4 Adenostylion, Hochgrasflur des Gebirges LC 3
5.2.5 Adlerfarnflur LC 2

Säume

Pflanzengesellschaften der Krautsäume gemäss Delarze et al. 2015. Die für die Einteilung der verschiedenen Saumgesellschaften wesentlichen Faktoren sind die Wärmeverhältnisse, die Trockenheit und der Nährstoffgehalt des Bodens. Gefährdungsgrad: LC = nicht gefährdet, NT = potenziell gefährdet, VU = verletzlich; Regenerationsdauer: 1 = < 5 Jahre, 2 = 5-10 Jahre, 3 = 10-25 Jahre (Quelle: Delarze et al. 2016). Informationen auf TypoCH.

Nr. Bezeichnung Gefährdung Regenerationsdauer
5.1.1 Geranion sanguinei, Trockenwarmer Krautsaum VU 3
5.1.2 Trifolion medii, Mesophiler Krautsaum NT 2
5.1.3 Convolvulion, Feuchter Krautsaum (Tieflagen) VU 2
5.1.4 Petasition officinalis, Feuchter Krautsaum (höhere Lagen) NT 2
5.1.5 Aegopodion + Alliarion, Nährstoffreicher Krautsaum LC 2


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Strukturreicher Uferböschung im Val de Travers.

Erhaltung, Förderung und Aufwertung

Ziele

Mit der Förderung von Säumen:

  • sollen Kräuter- und strukturreiche Lebensräume mit einem Blühaspekt über die gesamte Vegetationsperiode geschaffen werden;
  • sollen Pflanzen mit langen Blütezeiten und späten Blühaspekten vorkommen;
  • soll die Vernetzung ermöglicht werden;
  • sollen insbesondere auch Nützlinge gefördert werden;
  • soll die Abdrift und die Abschwemmung von Pflanzenschutzmitteln und Nährstoffen in wertvolle Biotope verhindert werden.


Es versteht sich von selbst, dass aufgrund des starken Rückgangs die Erhaltung der bestehenden Saumbiotope hohe Priorität geniesst, insbesondere wenn sie natürlich sind.

Grosser Mangel, aber auch grosses Potential

Wie oben erwähnt gibt es zu wenige und oft schlecht gepflegte Säume (siehe Kap. «Einleitung»).

Untersuchungen und Projekte in Deutschland zeigen, dass das Potential an artenreichen, ökologisch wertvollen Säumen sehr gross ist: Gemäss Bericht des BUND machen in Deutschland Feldraine und Gewässeruferstreifen 1.6 % der Landesfläche aus (dabei sind viele Säume, z. B. diejenigen entlang der Gehölze, nicht miteingerechnet). Gemäss Deubert et al. (2016) macht die Summe an linearen Elementen 4.4% in den Landwirtschafts- und Siedlungsflächen Deutschlands aus!
Es kann davon ausgegangen werden, dass in der topografisch reichhaltigeren und kleinräumiger genutzten Schweiz das Potential ähnlich oder grösser ist. Nur schon die Aufwertung von Säumen entlang geeigneter Waldränder ergäbe bei einer Waldrandlänge von 115‘000 Kilometern in der Schweiz mehrere Hundert km2 an Saumfläche.

Pufferstreifen
Gemäss Direktzahlungsverordnung DZV, Art. 21 Pufferstreifen muss entlang von Hecken, Feld-, Ufergehölzen und Waldrändern ein mindestens 3 m breiter Streifen bestehen, bei Oberflächengewässern 6 m. Auf Pufferstreifen (siehe Pufferstreifen richtig messen und bewirtschaften) dürfen weder Dünger noch Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden (Ausnahmen siehe «Biodiversitätsförderung auf dem Landwirtschaftsbetrieb», Agridea 2022). Einzelstockbehandlungen von Problempflanzen sind teilweise möglich.


Säume erhalten und aufwerten

Als Grundlage für die Erhaltung der Säume sollen Inventare erarbeitet werden, um die vorhandenen Werte, die verschiedenen Saumtypen sowie ihre Häufigkeit und Verteilung zu kennen. Davon ausgehend können Ziele und die konkrete Pflege festgelegt werden.

Mit der Aufwertung von Säumen ist ihre ökologische Verbesserung gemeint (ohne sie neu anzulegen (siehe nachfolgendes Kapitel)). Häufig sind Säume artenarm und grasreich und/oder werden zu oft und falsch gepflegt (gemulcht). Es gibt folgende Möglichkeiten zur Aufwertung von Säumen (eine Kombination von Massnahmen ist oft sinnvoll; Die qualitative Verbesserung durch die Strukturaufwertung soll Vorrang haben vor dem Einbringen von Samen oder Soden):

Nach Möglichkeit sollen bestehende Säume verbreitert werden. Gerade entlang von Waldrändern oder Hecken sind sie oft schmal oder ganz fehlend.

Pflege

Hier wird auf die regelmässige Pflege eingegangen. Für die nach der Anlage neuer Säume notwendige Entwicklungspflege möchten wir auf die Artikel Acker und Grünland verweisen.

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Eine Böschung mit einem Farbtupfer im Vergleich mit...
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...einer Blütenpracht.

Pflege naturnaher Saumbiotope entlang von Gehölzen, Gewässern und an Böschungen

Pflegegrundsätze:

  • Die Pflege soll sich immer nach dem Ziel krautreicher Bestände mit einem permanenten Blüten- und Strukturangebot richten. Sie stellt sicher, dass die Fläche nicht verbuscht.
  • Weniger ist mehr! Natürliche Säume brauchen keinen Unterhalt, die vom Menschen geschaffenen Säume sollen so wenig wie nötig unterhalten werden, in Anlehnung an das «Original» der traditionellen Kulturlandschaft mit Mahd nur alle 1-3 Jahre oder gelegentlicher Beweidung. Krautsäume ertragen keine zu häufigen Eingriffe.
  • Alternierende/abschnittweise Mahd: nicht gemähte Flächen wechseln sich ab
  • Gestaffelte Mahd: auf nährstoffreicheren Flächen einen Teil früher mähen, einen anderen Teil 8 bis 10 Wochen später.
  • Rückzugsstreifen: auch auf nährstoffreicheren Flächen immer einen Teil bis zu 3 Jahren stehen lassen, damit bestimmte Insektenarten ihren Lebenszyklus vollenden können.
  • Schnittgut drei bis vier Tage liegenlassen, damit Samen nachreifen und Tiere abwandern können, dann abführen (nicht Mulchen!) (mit wenigen Ausnahmen)
  • Schonende Mahd (z. B. kein Einsatz von Rotationsmähwerken; siehe Grünland-Artikel, Fauna freundliche Mahd).
  • Bei der Pflege auf spezielle Strukturen Rücksicht nehmen, z. B. auf Brennnesselfluren oder Brombeergestrüpp
  • Kontrolle und Bekämpfung unerwünschter Arten
  • Kein Einsatz von Düngern und Pestiziden

Kirmer et al 2019 unterscheiden bei der Pflege nach Wüchsigkeit:

  • Nährstoffarme Standorte: Mahd alle 2-3 Jahre im Spätsommer, alternierend die Hälfte stehen lassen (Bemerkung: Die Untersuchungen stammen von einem mitteldeutschen Trockengebiet mt 511 mm Niederschlag und 9.4° Grad Mitteltemperatur. In der Schweiz gibt es nur wenige Regionen mit ähnlich wenig Niederschlag. Insofern ist bei uns mehrheitlich von nährstoffreicheren Standorten auszugehen).
  • Nährstoffreiche Standorte: Mahd 1-Mal pro Jahr im Frühsommer (Mitte Mai bis Mitte Juni; gestaffelte Mahd, deshalb im Frühsommer nur die Hälfte mähen, die andere Hälfte 8-10 Wochen später, Ende Juli bis Mitte August; im Folgejahr die Seiten tauschen, denn ein später Schnitt begünstigt die Gräser)
  • Besonders wüchsige Bestände: zusätzlich im März mulchen

Früher wurden Saumbiotope gelegentlich beweidet oder gemäht. Von Kirmer et al. (2019) wird deshalb als Alternative eine 1 bis 2-malige Beweidung pro Jahr mit Schafen oder Ziegen empfohlen. Bei einer Beweidung sollen die Pflegegrundsätze ebenfalls berücksichtigt werden.

Bei der Pflege gilt es, ein Optimum zu finden, zwischen minimalen Eingriffen und unerwünschten Entwicklungen wie Zunahme des Grasanteils, Trivialisierung der Bestände oder Verbuschung. Gehölze können bei Bedarf entstockt werden, kritisch ist aber das Aufkommen ausläufertreibende Gehölze wie Schlehen, Pappeln und Hartriegel. In Delarze et al. (2015) ist zum Trockenwarmen Krautsaum (siehe Kap. «Saumbiotope aus pflanzensoziologischer Sicht» vermerkt, dass dieser durch sehr extensive und nur gelegentliche Beweidung gefördert wird, ein Ausbleiben dieser Pflege als auch eine Nutzungsintensivierung jedoch eine Gefahr darstellen.

Tabelle mit Pflegevorschlägen mit a) optimaler Pflege und b) Pflege gemäss DZV (Details siehe Agrinatur - Biodiversitätsförderung in der Schweizer Landwirtschaft).

Typ Optimale Pflege Anforderungen BFF, gemäss DZV
Saumbiotope entlang von Hecken, Waldrändern (BFF «Hecken, Feld- und Ufergehölze (einschliesslich Krautsaum)»)
  • Auf nährstoffarmen Böden: Mahd alle 2-3 Jahre, auf nährstoffreichen Böden: Jährlich 1 Schnitt, bei sehr wüchsigen Beständen allenfalls 2 Schnitte
  • Alternierende und gestaffelte Mahd: jeweils mind. 1/3 stehen lassen
  • Ca. 1/3 über den Winter stehen lassen.
  • Rückzugsstreifen, mit Mahd nur alle 2 bis 3 Jahre
  • Pflege bei Bedarf an Gehölzdruck ausrichten (z. B. Schwarzdorn, Hartriegel, Pappeln)
  • Alternativ extensive Beweidung
  • Schnitt mindestens alle 3 Jahre, Abführen des Schnittgutes obligatorisch, Mulchen verboten
  • 1. Schnitt und Herbstweide: Wie extensiv genutzte Wiese
  • In Weiden: Weidenutzung erlaubt, frühester Weidetermin wie frühester Schnitttermin extensiv genutzter Wiese
Saumbiotope entlang von Fliessgewässern (BFF „Uferwiese entlang von Fliessgewässern“)

Hochstauden:

  • Mahd alle 2-4 Jahre, später Schnitt ab Sept./Okt., bei sehr wüchsigen Beständen allenfalls jährliche Mahd
  • Ufersaum unmittelbar am Wasser (mindestens 50 cm) stehen lassen
  • Alternierende Mahd: jeweils mind. 1/3 stehen lassen


Trockenere Wiesenböschung:

  • Mahd 1 bis 2-Mal pro Jahr (je nach Wüchsigkeit) ab Sommer
  • Ufersaum unmittelbar am Wasser (mindestens 50 cm) stehen lassen
  • Alternierende und gestaffelte Mahd: jeweils mind. 1/3 stehen lassen
  • Ca. 1/3 über den Winter stehen lassen.
  • Rückzugsstreifen, mit Mahd nur alle 2 bis 3 Jahre
  • Alternativ extensive Beweidung
  • Mindestens 1 Schnitt jährlich
  • Herbstweide vom 1. September bis 30. November bei günstigen Bodenverhältnissen erlaubt, falls nichts anderes mit Kanton vereinbart
Saumbiotope entlang von Wegen und an Böschungen (inkl. entlang von Strassen- und Eisenbahnanlagen)
  • Mahd 1- bis 2-Mal pro Jahr
  • Alternierende und gestaffelte Mahd
  • Teilbereiche über den Winter stehen lassen.
  • Rückzugsstreifen, mit Mahd nur alle 2 bis 3 Jahre
  • Alternativ extensive Beweidung


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Beispiele für unterschiedliche Pflegemodi. Der Intensitätsgradient hängt von der Produktivität des Standorts ab. (Quelle: Direction générale de la nature et du paysage, ECOTEC Environnement S.A., 2012. Ourlets)
Année = Jahr, Mode = Modus, Zones non fauchées = ungemähte Bereiche

Pflege von Saumbiotopen auf Ackerflächen

Die Pflege von Säumen im Acker wird dort behandelt (Artikel in Erarbeitung).

Anlage von neuen Säumen

Die Anlage neuer Säume durch Umbrechen des Bodens wird im Artikel zum Acker behandelt.

Gefährdung

Bei Saumbiotopen bestehen folgende Gefahren (diese Auflistung ist nicht abschliessend):

  • Fehlende oder ungeeignete Pflege, insbesondere Mulchen, Übernutzung
  • Zerstörung durch z. B. Meliorationen, Flurbereinigungen
  • Düngung, Herbizideinsatz (direkt oder indirekt durch Eintrag, Abdrift)
  • «Sauberkeitsbedürfnis»
  • Fehlende Beachtung

Praxisbeispiele

Hier sind ein paar Praxisbeispiele mit dem Ziel der Förderung von Saumbiotopen aufgelistet:

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Breiter Wegsaum im Berner Seeland.

Allgemeine Links

Literatur

Literaturempfehlungen

  • Bosshard, A., Jacot, K., 2005. Projekt “Säume für den ökologischen Ausgleich in der Schweiz”, Schlussbericht.
  • Kirmer, A., Jeschke, D., Kiehl, K., Tischew, S., 2019. Praxisleitfaden zur Etablierung und Aufwertung von Säumen und Feldrainen, 2. Auflage.
  • Kollmann, 2019. Renaturierungsökologie. Springer Berlin Heidelberg.

Weitere verwendete Literatur

  • Agridea, 2022. Biodiversitätsförderung auf dem Landwirtschaftsbetrieb - Wegleitung (Merkblatt Nr. 1403).
  • Agridea, 2019. Blühstreifen für Bestäuber und andere Nützlinge (Merkblatt Nr. 2616).
  • Agridea, 2018. Artenreicher Saum - Wertvoller Lebensraum und Vernetzungselement im Ackerbau (Merkblatt Nr. 1188).
  • Agridea, 2018. L’ourlet riche en espèces – habitat précieux et élément de réseau parmi les cultures (No. 1188).
  • Agridea, 2012. Nützlinge in den landwirtschaftlichen Kulturen fördern (Merkblatt Nr. 1520).
  • Amt für Raumplanung des Kanton Zürich, 1994. Der Krautsaum biologische Bedeutung und Bewirtschaftung.
  • Bosshard, A., Jacot, K., 2005. Projekt “Säume für den ökologischen Ausgleich in der Schweiz”, Schlussbericht.
  • Brönnimann, A., Süsstrunk, P., 2014. Botanische Qualität in Säumen auf Ackerflächen.
  • Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) (Ed.), 2019. Wegraine und Gewässerrandstreifen als Teil des kommunalen Biotopverbundes: ein Analyseleitfaden zur Kartierung und ökologischen Aufwertung landwirtschaftlich übernutzter Saumbiotope.
  • Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), 2022a. Nützlingsstreifen, Zusammensetzung der Saatmischungen 2023.
  • Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), 2022b. Saum auf Ackerfläche, Zusammensetzung der bewilligten Saatmischungen 2022.
  • Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), 2022c. Blühstreifen für Bestäuber und andere Nützlinge, Zusammensetzung der bewilligten Saatmischungen 2022.
  • Delarze, R., Eggenberg, S., Steiger, P., Bergamini, A., Fivaz, F., Gonseth, Y., Guntern, J., Hofer, G., Sager, L., Stucki, P., 2016. Rote Liste der Lebensräume der Schweiz. Aktualisierte Kurzfassung zum technischen Bericht 2013 im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU). Bern.
  • Delarze, R., Gonseth, Y., Eggenberg, S., Vust, M., 2015. Lebensräume der Schweiz: Ökologie - Gefährdung - Kennarten, 3., vollst. überarb. Aufl. ed. Ott, Bern.
  • Deubert, M., Trapp, M., Krohn, K., Ullrich, K., Bolz, H., Künast, R., Künast, C., 2016. Das Konzept der Eh da-Flächen. Naturschutz und Landschaftsplanung 48, 209–217.
  • Direction générale de la nature et du paysage, ECOTEC Environnement S.A., 2012. Ourlets (5.1.1 Geranion sanguinei, 5.1.2 Trifolion medii, 5.1.3 Convolvulion 5.1.5 Aegopodion et Alliarion).
  • Fartmann, T., Jedicke, E., Stuhldreher, G., Streitberger, M., 2020. Insektensterben in Mitteleuropa: Ursachen und Gegenmaßnahmen, Praxisbibliothek Naturschutz und Landschaftsplanung. Ulmer, E., Stuttgart.
  • Graf, R., Jenny, M., Chevillat, V., Weidmann, G., Hagist, D., Pfiffner, L., 2016. Biodiversität auf dem Landwirtschaftsbetrieb – Ein Handbuch für die Praxis. Frick und Sempach.
  • Guntern, J., Lachat, T., Daniela, P., Fischer, M., 2013. Flächenbedarf für die Erhaltung der Biodiversität und der Ökosystemleistungen in der Schweiz. Forum Biodiversität Schweiz, Akademie der Naturwissenschaften (SCNAT), Bern.
  • Guntern, J., Pauli, D., Klaus, G., Hrsg.: Forum Biodiversität Schweiz (SCNAT), 2020. Biodiversitätsfördernde Strukturen im Landwirtschaftsgebiet. Bedeutung, Entwicklung und Stossrichtungen für die Förderung. Bern.
  • Hintermann und Weber, 2021. Pflegegrundsätze für Lebensräume und Arten des artenreichen Grünlands.
  • Hrsg: FiBL, Pfiffner, L., Müller, A., 2018. Wildbienen fördern – Erträge und Pflanzenvielfalt sichern.
  • Kanton Aargau, Departement Finanzen und Ressourcen, Landwirtschaft Aargau, 2013. Waldsaumbewirtschaftung.
  • Katja Jacot, Christina Beerli, Lisa Eggenschwiler, 2007. Bedeutung neu angesäter Säume für Mäuse und Maulwürfe. Bundesamt für Landwirtschaft, Bern.
  • Kirchhofer, A., Schenk, B., Känel, A. von, Zeh, M., Rösti, K., 2012. Unterhalt von Uferböschungen.
  • Kirmer, A., Jeschke, D., Kiehl, K., Tischew, S., 2019. Praxisleitfaden zur Etablierung und Aufwertung von Säumen und Feldrainen, 2. Auflage.
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